BOB DYLAN : LIVE IN GERMANY 2019

 

Disc One (55:12)

  1. Intro Theme
  2. Things Have Changed
  3. It Ain't Me, Babe
  4. Highway 61 Revisited
  5. Simple Twist Of Fate
  6. Cry a While
  7. When I Paint My Masterpiece
  8. Honest With Me
  9. Tryin' To Get To Heaven
  10. Scarlet Town
  11. Make You Feel My Love

Disc Two (60:23)

  1. Pay In Blood
  2. Like A Rolling Stone
  3. Early Roman Kings
  4. Don't Think Twice, It's All Right
  5. Love Sick
  6. Thunder On The Mountain
  7. Soon After Midnight
  8. Gotta Serve Somebody
  9. Blowin' In The Wind
  10. It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry

Label : Midnight Dreamer

Venue : S. Oliver-Arena, Wuerzburg, Germany

Date : April 2nd, 2019

Quality : Audience recording (A+)

Review : excellent recording from taper Bach.

Concert Review (Main Echo) : Am Ende hat er sich doch nicht ganz nach vorne an den Rand der Bühne in der Würzburger s.Oliver-Arena getraut. Dort steht zwar ein Mikroständer, doch diesen benutzt Bob Dylan, Altmeister der US-Folk-Rock-Country-Musik, an diesem Dienstagabend nicht. Der alte Mann - ja, mit fast 78 Jahren darf man ihn so nennen - sitzt oder steht an diesem Abend lieber hinter seinem schwarzem Flügel. Und federt er in die Bühnenmitte, ist dies das sichere Zeichen für: Jetzt ist dann aber Schluss. Vor Beginn des Konzerts drängen etliche der rund 3500 Besucher - viele junge unter ihnen - auf dem Weg in die ausverkaufte Arena an Frankie Dlowhan vorbei, einem jungen Mann mit Hut, Gitarre und Mundharmonika im Halter. Der britische Straßenmusiker covert Dylan-Songs und gibt den Konzertbesuchern in der Hoffnung auf ein paar Euro das, was diese gleich in der Halle bestimmt nicht hören werden: Den Bob Dylan längst vergangener Tage, den Folk-Sänger mit Klampfe, Mundharmonika, quäkender Stimme und sonst nichts. Obwohl - geblieben ist die quäkende Stimme, die gleich mit dem Auftaktsong verrät: »Things Have Changed«, »Dinge haben sich geändert«. Ja, haben sie. Dylan spielt zum Beispiel keine Gitarre mehr. Zu lesen ist, Arthrose in den Händen erschwere dies. Ob es stimmt? Wer weiß. Dylan hält Zeit seines künstlerischen Daseins Privates strickt von der Öffentlichkeit fern. Fern von seinen Fans hält er an diesem Abend auf seinen Alben veröffentlichte Erstversionen seiner Klassiker wie »Like a Rolling Stone« oder »Blowin' in the Wind«. Er singt sie, ja. Doch seine prima Begleitband und er interpretieren seine eigenen Songs völlig neu. Erfrischend neu. Rhythmus, Instrumentierung, Gesang - zu Beginn mancher Lieder lauschen viele Zuschauer und überlegen - um dann mit den ersten Textzeilen lächelnd zu nicken und ihren fragenden Nachbarn den Liednamen direkt ins Ohr zu verraten. Ja, das ist wirklich »Blowin' in the Wind«... Dylan macht mit seinen eigenen Werken das, was er auf seinen letzten Alben veröffentlicht hat. Dort coverte er nicht einfach Klassiker wie von Frank Sinatra. Er hüllte deren Songs in gut sitzende neue musikalische Gewänder. Schon wenige Jahre nach dem Start seiner Karriere begann Dylan, seine eigenen Lieder neu einzukleiden. Er hatte wenig Lust als der ewige Klampfen-Mundharmonika-Barde in die US-Musikgeschichte einzugehen und öffnete sich in Richtung Rock. Damals verachteten ihn viele dogmatische Fans und Musiker dafür, buhten ihn auf Konzerten aus. Hier in der Arena haben auch hartgesottene Dylan-Anhänger längst ihren Frieden damit gemacht. Nach jedem Lied, kaum erlöscht die Bühnenbeleuchtung, bejubeln und beklatschen sie Musiker und Musik, manche erheben sich von ihren Sitzen, und setzen sich schnell wieder hin, kaum erhellen die Scheinwerfer wieder die Bühne. »Die Bühne schaut aus wie ein Retro-Wohnzimmer«, sagt ein Besucher, der Dylan-Konzerte schon seit den 1970er Jahren besucht. Hinter der Bühne hängen in einem Bogen schwere Vorhänge nebeneinander von der Hallendecke. Davor illuminieren sieben große Schweinwerfer die Musiker von oben herab in, wie man im LED-Zeitalter sagt, warmweißes Licht. Andere Leuchten tauchen die Vorhänge in immer andere Farben. Mal karminrot, mal rostbraun, mal erdfarben. Mal mehr, mal weniger Licht - je nach Tempo des Songs. Gemütlichkeit strahlen die Farbspiele aus, und das ist es, was diese zwei Stunden mit diesem hinter seinem Flügel klebenden ewigen Waldschrat dort oben auf der Bühne unterm Strich charakterisiert: Es ist ein Konzert wie ein Stressless-Sessel. Entspannt, entschleunigt - man möchte nicht mehr aufstehen und einfach immer weiter lauschen. Ein bisschen ist es auch so, als säße man vor einem Kinofilm oder schaue ein Konzert in 20 Akten, der Anzahl der Songs. Es fehlt jeglicher Kontakt der Menschen dort oben zu ihrem Publikum. Kein Begrüßung, keine Vorstellung der Musiker, kein einziges Wort an die Zuschauer, keine Verabschiedung. Bühnenlicht an - Lied - Licht aus - Applaus, Licht an - Lied - Licht aus - Applaus, ... Mancher Journalist schimpft Bob Dylan dafür arrogant, lustlos, uninspiriert. Doch so, wie er schon immer seinen Flügel oder seine Mundharmoika spielt und singt - abgehackt, quengelnd, quälend - so gibt er sich auch auf der Bühne. Ein unnahbarer Kauz ohne scheinbares Interesse an den Menschen vor der Bühne. Wer Dylan-Konzerte besucht, sollte wissen, worauf er sich einlässt. Etwa sich auch darauf einlassen, sofort von Saal-Ordnern der Halle verwiesen zu werden, wenn er auch nur daran denkt, sein Smartphone während des Konzertes in die Hände zu nehmen. Diese Ansage direkt vor Konzertbeginn folgen die Besucher. Herrlich, kein Arm reckt sich in die Höhe, um mit dem Phone zu filmen oder zu fotografieren - bis nach dem 18. Lied. Mit den letzten Takten von »Gotta Serve Somebody« federt Dylan von seinem Flügel-Hocker in die Bühnenmitte, dreht sich zum Publikumm, schaut es kurz provozierend an und verschwindet mit dem erlöschenden Licht zusammen mit seiner Band von der Bühne. Einige Minuten Applaus später kehren die Musiker zurück. Zugabe. Jetzt eilen viele Zuschauer von den hinteren Stuhlreihen entlang des breiten Mittelgangs direkt vor die Bühne. Jetzt zücken manche ihre Smartphones strecken es über ihre Köpfe empor und filmen oder fotografieren sich Andenken an diese zwei tollen Stunden durch Folk, Rock, Country, Blues, American. Jetzt interessiert das Verbot niemanden.